Eigentlich war ich nur in Tallinn, um meine neue ID-Karte für die nächsten vier Jahre meiner digitalen estnischen Staatsbürgerschaft abzuholen. Und das sollte mein nächster Blogeintrag werden. Aber als ich in unserem AirBnB ankam und nach dem nächsten Supermarkt suchte, entdeckte ich die Roboter von Starship Technologies. Ich kannte diese bereits aus einigen Videos und es gibt ähnliche Initiativen von anderen Unternehmen, zum Beispiel von Amazon, die sich ohnehin immer mit innovativen Lösungen im Handel beschäftigen. Ich wusste sofort: Das will ich ausprobieren.
Gesagt, getan – innerhalb weniger Minuten hatte ich die Starship App installiert, meine Bestellung beim lokalen Supermarkt aufgegeben und auf den Roboter gewartet. Diesen und seine Route konnte ich in der App verfolgen, ähnlich wie man es von Mobilitäts-Apps wie Uber oder Bolt kennt. Der Roboter kam dann in der angekündigten Zeit, lieferte alles Bestellte und nahm dafür 99 Cent Liefergebühr. Natürlich hat es länger gedauert als beispielsweise mit Gorillas, aber dafür hatte ich praktisch Zugriff auf das komplette Supermarktsortiment der lokalen Supermarktkette hier in Tallinn. Und es gab auch keine Preisaufschläge.
Die Roboter von Starship
Aber was sind das für Roboter, die mich so faszinieren? Unter der Leitung der Mitbegründer von Skype, dem Esten Ahti Heinla und dem Dänen Janus Friis, hat ein Team diese Roboter entwickelt, die von der Pizza bis zum Supermarkteinkauf alles liefern können – und das auch noch gut gekühlt. Die Idee war, eine emissionsfreie, umweltfreundliche Lösung für die Lieferung auf der letzten Meile anzubieten. Wenn man bedenkt, dass viele Menschen einmal in der Woche mit dem Auto zum Supermarkt fahren, dann mehr oder weniger gut geplant groß einkaufen, sich vielleicht auch von einem Angebot zu Extrakäufen verleiten lassen, dann soll der Roboter unter anderem Foodwaste reduzieren, indem nur das bestellt wird, was gerade für die nächsten Tage benötigt wird. So zumindest die These und der Ansatz der Gründer. Für mich macht das auf jeden Fall Sinn.
Die Starship Roboter werden mit Strom betrieben und können etwa 9 kg Fracht transportieren. Jeder von ihnen ist u.a. mit zwölf Kameras, einer Reihe von Sensoren, Radar und GPS ausgestattet, und ein Mensch kann sich in bestimmten Situationen einschalten und die Kontrolle über den Roboter übernehmen. Die kleinen Kollegen haben einen Lieferradius von 5 bis 6 km, eine Höchstgeschwindigkeit von 6,5 km/h und können Bordsteinkanten überwinden – allerdings keine Treppen steigen, was die Lieferung in mehrstöckigen Gebäuden natürlich einschränkt. In der Regel wartet der Roboter vor dem Haus auf den Menschen, der dann die Bestellung entgegennimmt. Die Starship Roboter sind außerdem mit Lautsprechern ausgestattet, über die sie bei Bedarf mit Menschen kommunizieren können, z.B. um sie aufzufordern, einen Knopf an einer Ampel zu drücken, den sie nicht erreichen können. Hier vor Ort habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Roboter fast schon in die lokale Gemeinschaft integriert sind und beispielsweise Kinder mit ihnen interagieren und sie sogar streicheln.
Erste Erfahrungen und Hürden
Starship startete 2016 Pilotprojekte und begann 2017 mit dem kommerziellen Verkauf. Die Lieferroboter sind derzeit in den USA, Großbritannien, Deutschland, Dänemark und Estland im Einsatz. Nach Angaben des Unternehmens haben die autonomen Roboter bereits Millionen von Kilometern zurückgelegt und über 5 Millionen Lieferungen autonom ausgeliefert. Sie sind unter anderem auf vielen Universitätsgeländen im Einsatz, was Sinn macht, da es sich um geschlossene Gelände handelt, auf denen mehr oder weniger eigene Regeln aufgestellt werden können. Das scheint mir noch ein Hauptproblem zu sein, ähnliches kenne ich noch von den E-Scootern. Auch da gab es plötzlich eine neue Kategorie an Fahrzeugen und von Land zu Land gibt es andere Regeln, wie und wo man einen E-Scooter fahren darf. Ähnlich verhält es sich mit den Starship Robotern. Meine Recherchen haben ergeben, dass diese z.B. in Deutschland einige regulatorische Probleme haben, während es in Österreich anscheinend vom Gesetz her keine Probleme zu geben scheint. Es bleibt auf jeden Fall spannend, wie es hier weitergeht und welche Länder wie schnell diese Technologie zulassen.
Mein Fazit zu Starship
Meine Bestellungen während der Zeit in Tallinn waren auf jeden Fall ein Erlebnis und ich hatte das Gefühl, in der Zukunft zu leben. Ich persönlich kaufe sowieso nie groß ein und vom Volumen her passen die Einkäufe perfekt zu den Starship Robotern und würden mich auch zu Hause in Dortmund entlasten. Ich denke auch, dass eine Stadt wie in Dortmund von der Größe und Bauweise gerade iim größeren Innenstadtbereich gut für Starship funktionieren würde. Starship sagt ja selbst, dass gerade dicht besiedelte Metropolregionen ungeeignet sind. Dort wiederum sehe ich auch einen wirtschaftlichsten Sinn, einen Lieferdienst wie beispielsweise Gorillas zu betreiben, weil die Menge der Menschen, die zu erwartenden Bestellungen und das dichte Stationsnetz es sinnvoll machen bzw. auch von den Supermarktketten selbst traditionell mit Kurieren bedient werden können. In allen Städten jenseits der Metropolen sehe ich definitiv die Chance, dass Starship mit seinen Robotern vielen Menschen das Leben erleichtern kann und auch einen Beitrag zu einer positiven Klimabilanz leistet.