Kürzlich war ich in Paris und habe meine Iris von einem Orb scannen lassen, um meine World ID freizuschalten. Da ich in der Worldcoin App schon zu 75 Prozent alles eingerichtet hatte, waren die letzten 25 Prozent – also der Iris-Scan – nur noch eine kleine technische Hürde und da ich mich im Vorfeld informiert hatte, hatte ich vor Ort auch keine weiteren Fragen an das Team und war in wenigen Minuten durch. Am Ende war es dann doch nicht so aufregend wie erwartet und fast schon zu entspannt und zu schnell. Aber worüber schreibe ich hier eigentlich? Was ist Worldcoin? Was ist ein Orb? Fangen wir von vorne an.
Was ist Worldcoin?
Worldcoin ist ein von Sam Altman, CEO von OpenAI, mitbegründetes Projekt für Kryptowährung und digitale Identität. Es zielt darauf ab, Einkommensungleichheiten durch eine einzigartige World ID in Verbindung mit einem Worldcoin Token (WLD) zu bekämpfen, der als eine Art Grundeinkommen an die Menschen verteilt werden soll. Gleichzeitig soll die World ID dabei helfen, in Zukunft sicher zu identifizieren, dass man mit einem Menschen und nicht mit einer KI kommuniziert.
Nach dreijähriger Entwicklungszeit wurde Worldcoin am 24. Juli 2023 offiziell gestartet. Obwohl der Token aus regulatorischen Gründen derzeit nicht für US-Amerikaner verfügbar ist, gab es unter anderem in Santa Monica stundenlange Schlangen vor dem dortigen Orb, wo Menschen ihre Iris als „Proof of personhood“ scannen wollten, um dem Projekt beizutreten. Einige Wochen später nun hat sich der erste Hype gelegt und zumindest in Paris war es problemlos möglich, einen Termin für den Orb zu reservieren. Ich hatte den Eindruck, dass ich an diesem Tag dort auch die einzige Person mit einem Termin war, zumindest laut der Terminplanung online.
Was ist ein Orb?
Ein Orb ist ein biometrisches Gerät, das feststellen soll, ob eine Person echt ist. Dies geschieht mit Hilfe einer Reihe von Kamerasensoren und maschinellen Lernmodellen, die die Merkmale des Gesichts und der Iris analysieren. Sobald diese Feststellung getroffen ist, nimmt der Orb eine Reihe von Bildern der Iris der Person auf und verwendet mehrere Modelle des maschinellen Lernens und andere Techniken des maschinellen Sehens, um einen Iris-Code zu erstellen, bei dem es sich um eine numerische Darstellung der wichtigsten Merkmale des Irismusters einer Person handelt.
Sobald eine Person ihre Iris gescannt hat, erhält sie über die App eine World ID, die als Online-ID in Zukunft wie ein Google oder Facebook Login funktionieren soll. Nur, dass sie den Nutzer als Mensch ausweisen soll – und privater ist, weil sie nicht mit anderen persönlichen Daten des Nutzers verknüpft ist. In Deutschland gibt es Orbs bisher in Berlin und Erlangen, in den Nachbarländern noch nicht. Für mich war Paris der am besten erreichbarste Ort, da ich dort ohnehin einen Termin hatte.
Kontroversen und Risiken
Kritiker werfen dem Unternehmen vor, mit der Ausgabe von Token Menschen zu bestechen, damit sie hochsensible biometrische Daten preisgeben. Dementsprechend sind bereits Regierungen auf Worldcoin aufmerksam geworden und haben die Plattform teilweise in ihren Ländern verboten oder ermitteln derzeit. Worldcoin selbst erklärt, dass es alle Gesetze zum Schutz personenbezogener Daten einhält und auch weiterhin Anfragen von Regierungsbehörden zu seinen Datenschutz- und Datensicherheitspraktiken beantworten wird.
Die Iris-Scans werden laut Worldcoin gelöscht, nachdem sie in einen eindeutigen Iris-Code umgewandelt wurden, der zur World ID des Nutzers wird. Die World ID wird dann auf einer dezentralen Blockchain gespeichert, um Fälschungen oder Duplikate zu verhindern. Die Scans werden jedoch nur dann gelöscht, wenn der Benutzer die Option „ohne Datenspeicherung“ wählt (was bedeuten kann, dass er in Zukunft zu einem Orb zurückkehren muss, um sich erneut zu verifizieren). Wählt der Benutzer die Option „mit Datenspeicherung“, gibt Worldcoin an, dass der Iris-Scan über verschlüsselte Kommunikationskanäle an seine verteilten Datenspeicher gesendet wird, wo er im Ruhezustand verschlüsselt wird. Bei meinem Scan in Paris wurde ich ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen und konnte so eine bewusste Entscheidung für mich treffen. So oder so, in beiden Fällen muss der Benutzer darauf vertrauen, dass das Unternehmen die biometrischen Daten löscht oder angemessen vor Missbrauch schützt.
Mein Fazit zu Worldcoin und World ID (vorerst)
Ich denke, dass es im digitalen Zeitalter, in dem wir leben, unvermeidlich ist, Informationen über sich selbst preiszugeben. Von einem iPhone oder einer Social Media Plattform aus hat man beispielsweise bereits Zugang zu vielen Informationen, die einem Vorteile, aber auch Nachteile bringen können. Das muss sowieso jeder für sich entscheiden, ich persönlich finde zielgerichtete Werbung viel angenehmer als Werbung zu bekommen, die nichts mit mir zu tun hat. Und ja, ich verstehe auch die Gefahren von zielgerichteter Werbung. Letztendlich ist der Sprung zur World ID, zumindest für mich, nicht so groß, aber vielleicht sicherer? Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich Worldcoin entwickelt und ob es die Bedenken bezüglich seiner Datensammelpraktiken ausräumen kann.
In diesem Zusammenhang empfehle ich einen Text von Vitalik Buterin, Mitbegründer von Ethereum. Er hat seine Gedanken zu Worldcoin niedergeschrieben und zeigt sehr reflektiert die Probleme und Risiken im Zusammenhang mit biometrischer Identität auf und vergleicht verschiedene Ansätze und Systeme und eben auch Worldcoin. Außerdem bin ich bei meinen Recherchen auf einen Artikel in der NZZ gestoßen, der die deutsche Beteiligung an diesem Projekt erläutert und damit auch erklärt, warum in Deutschland derzeit ein Orb in Erlangen steht. Außerdem werden verschiedene Aspekte des Projektes kritisch beleuchtet. Auch sehr lesenswert, wie ich finde.
Darüber hinaus empfehle ich auch die unten eingebettete Episode aus dem w3.talk, in der sich Vicktoria Klich und Marvin Sangines ausführlich und auch angenehm unaufgeregt über das Thema Worldcoin unterhalten. Und natürlich haben Daniel und ich das Thema in einer Folge unseres eigenen Podcast besprochen. Hört also gerne mal rein, auch zu anderen Web3 Themen.