25. Oktober 2018 Achim Hepp

Lost Place: Vero, das das neue Instagram sein wollte

Erinnert sich noch jemand an Vero? Anfang 2018 war das soziale Netzwerk fast aus dem Nichts in aller Munde und wollte sich als das neue Instagram platzieren. Laut Vero sollte die chronologische Timeline ohne Algorithmus das Alleinstellungsmerkmal sein. Und statt Werbeanzeigen gebe es Partnerschaften mit anderen Unternehmen und Contentlieferanten.

Mitgliedsbeitrag als treibender Motor

Die erste eine Million Nutzer sollten kostenfreien Zugang zu Vero bekommen – lebenslang. Alle Nutzer, die sich danach angemeldet hätten, sollten einen Mitgliedbeitrag zahlen. So sah die Finanzierung aus. Diese Begrenzung setzte Vero aber direkt Ende Februar 2018 außer Kraft – auch, wenn sie als Antriebsmaschine für das Wachstum im Januar und Februar wohl ganz hilfreich war.

VERO: true social

Verbindungen und Follower blieben auf Vero bis zuletzt überschaubar.

Ich kann mich selbst noch genau erinnern, wie ich mir im Februar in Hong Kong zwischen zwei Meetings fix mein Konto einrichtete. Einfach, um es zu testen. Ich wollte wissen, wie man die App im geschäftlichen Kontext einsetzen kann. Und das, obwohl ich wirklich wenig Hoffnung hatte, dass Vero etwas wird. Erstens: Wie viele soziale Netzwerke brauchen wir noch? Und Zweitens: Wenn es sich schon als Kopie von Instagram vermarktet, wo ist dann überhaupt der wirkliche Mehrwert?

Große Vero-Euphorie hielt nur kurz

Respekt habe ich allerdings vor dem Hype, der in so kurzer Zeit aus dem Nichts geschaffen wurde. Denn eigentlich gibt es die App schon seit 2015. Die Historie und die Hintergründe kramte die Techpresse aber auch sehr schnell heraus: Steckt doch hinter Vero der nicht unumstrittene libanesischer Milliardär Ayman Hariri.

Ende Februar 2018 haben mich Sascha Nieroba und Cristina Mlynek gefragt, ob ich meine Meinung zu Vero in deren Podcast krawatt’n’rock zum Besten geben wolle. Gerne tat ich das. Ich spekulierte darauf, dass es Vero zumindest noch bis in den April schafft. Vorher werde es auf der SXSW noch einmal als das neuste heiße Ding durch Austin getrieben würde. So war meine Prognose. Und da lag ich falsch! Vero war dort sowas von kein Thema – und das bei der größten Digitalkonferenz der Welt!

Funkstille in der Timeline

Wie schaut es nun knapp zehn Monate später aus? Mein letzter Post bei Vero ist vom 30. April, der davor vom 27. März. Über die Interaktionsraten reden wir mal gar nicht. Alle anderen Zahlen sind auch nicht erwähnenswert. Deswegen hat es Vero schon damals nicht mal ansatzweise in die Nähe eines Kundenkonzeptes bei mir geschafft.

Und was macht die Community? Also, wenn man ernsthaft von einer Community sprechen will, dann schaut man mal in die Timeline. Ich habe einen unermüdlichen Kontakt, der weiter jeden Tag etwas postet. Auch heute noch! Scrolle ich aber weiter zurück bis in den April, gesellen sich noch eine Handvoll Beiträge von drei anderen Kontakten dazu. Das war es.

Kooperation mit GQ – warum auch immer

VERO: GQ Profil

Die britische GQ ist mit knapp 79T Followern das Vorzeigeprofil auf Vero.

Wie schaut es denn bei Vero selbst aus? Dafür guck ich mal in den Pressebereich auf der Webseite: Zwischen Mai und September 2018 gab es wohl nix zu berichten – jedenfalls nicht für die Presse. Am 3. September wurde unter anderem die bereits seit 2017 bestehende Partnerschaft mit dem Männermagazin GQ verlängert. Dazu wurde für die Preisverleihung „GQ Men of the Year“ auch noch der „Vero Breakthrough Solo Artist of the Year Award“ kreiert. Warum GQ jetzt auf so stark auf das Pferd Vero setzt, ist mir aber echt ein Rätsel.

In der Presserklärung lautet eine Passage „No.1 social app in 18 countries earlier this year„. So will man wohl noch einmal den kurzen Hype als Erfolgsgeschichte verkaufen. Ebenfalls wird das Wachstum von GQ-Abonnenten auf Vero mit stolzen 3.750 Prozent bemessen. Fairerweise wird aber drauf hingewiesen, dass die Zahlen von ein paar Tausend auf damals 77.000 Nutzer gestiegen sind. Im Vergleich dazu mal die Zahl von GQ auf Instagram: Dort sind es 4,4 Millionen Abonnenten.

Gut kopiert wird nicht gewinnen

Damit war es dann für mich amtlich: Vero wird keine Beine haben und mittel- oder langfristig nicht erfolgreich sein. Überleben ist eine andere Sache. Schließlich steckt ja Geld dahinter. Wenn der gute Herr Hariri das soziale Netzwerk als Hobby betreiben möchte, kann er es bestimmt einige Zeit weiter betreiben.

Am Ende bestärkt mich die Beobachtung von Vero in meiner These, dass wir keine signifikant neuen sozialen Netzwerke mehr sehen werden. Erst recht nicht, wenn sie etwas Bestehendes kopieren und nur minimal verbessern. Vero wollte mehr oder weniger das bessere Instagram werden. Ähnlich wie Ello, das das bessere Facebook bzw. Twitter sein wollte. Aber alle, die etwas kopiert haben, sind gescheitert. Besonders, wenn sie Unternehmen und Werbeanzeigen von Anfang an außen vor lassen. Dass Nutzer für ein soziales Netzwerk zahlen und damit Firmen und ihre Anzeigen vor die virtuelle Tür setzen, daran glaub ich nicht. Das wünscht sich vielleicht eine kleine, aber lautstarke Masse auf Twitter und Co.. Aber das wird nicht in der breiten Masse funktionieren –  und das will auch eigentlich kein soziales Netzwerk. Denn mit Werbung, erst recht mit guter und zielgruppenspezifischer Werbung, verdienen die Plattformen einfach mehr. Punkt.

P.S.: Im Kleingedruckten hatte sich Vero übrigens doch noch die Möglichkeit offengehalten, Werbeflächen in der App an Unternehmen zu verkaufen. Soviel dazu.

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Achim Hepp

#machen | Achim ist Digitalexperte, Speaker und Creator. Er veröffentlicht Fachbeiträge in verschiedenen Zeitschriften, sowie hält er Vorträge und Workshops zu seinen Themen. In dieser Funktion ist er im In- und Ausland unterwegs, wobei er immer die Augen nach digitalen Trends aufhält.