7. Februar 2019 Achim Hepp

Lime, Bird und Co. – Wie machen Elektrotretroller überhaupt Sinn?

Lime, Bird und Co. – Wie machen Elektrotretroller überhaupt Sinn?

Aus dem Nix sind im vergangenen Jahr die Elektrotretroller der große neue Hype bei Sharinganbietern. In Deutschland gibt es allerdings ein Problem: Die Zulassung. Denn gesetzlich ist hierzulande noch nicht geregelt, wie und wo die Elektrotoller fahren dürfen. Anderorts sieht das anders aus. Weltweit tobt bereits der Kampf der Anbieter um Marktanteile. Aber wie machen Elektrotretroller überhaupt Sinn oder lässt der Kunde sie nach dem ersten Hype einfach stehen und die Anbieter verschwinden?

Ich hatte die Möglichkeit innerhalb von knapp zwei Monaten sowohl in Paris, Lissabon und Los Angeles Elektrotretroller auszuprobieren. In jeder dieser Städte gab es mindestens vier Anbieter, denn das Geschäftsmodell lässt sich nur allzu einfach klonen. In den meisten Großstädten ist Lime der größte Anbieter, danach kommt Bird. Alle anderen sind eher sporadisch im Standbild vertreten.

Ob App oder Abrechnung – kaum Unterschiede

Die Elektrotretroller stehen dabei einfach irgendwo in der Stadt herum – idealerweise vernünftig geparkt, ohne Menschen zu behindern. In den Apps der Anbieter habe ich eine Übersicht, die mir alle verfügbaren Roller samt Akkustand in meiner Umgebung anzeigt. Über die App kann ich auch meinen gebuchten Tretroller freischalten. Und egal welcher Anbieter: Jeder hat irgendeine Art von Referral-Model, um über digitale Mundpropaganda zu neuen Nutzern zu kommen. Dabei bekommt jeder neue Kunde ein Startguthaben. Auch der werbende Kunde erhält eine Gutschrift auf sein Kundenkonto, nachdem sein geworbener Kunde die erste Fahrt beendet hat.

Lime bietet für seine Elektrotretroller eine App zur Buchung an

Abgerechnet wird nach Zeit und am Ende zeigt Lime dem Nutzer eine Übersicht seiner Fahrt mit dem Elektrotretroller an.

Abgerechnet wird im Regelfall immer nach Zeit, nach Distanz würde wahrscheinlich auch keinen Sinn machen. Eine halbe Stunde kostet in etwa fünf Euro. Die Tretroller fahren bis zu 20 km/h und lassen sich, nach einfachem Anschieben bzw. Treten, mit einem Knopf am Lenker beschleunigen. Je nach Neigung der Strecke und Gewicht des Fahrers geht das mehr oder weniger gut.

Nicht für jedes Pflaster geeignet

Wie und wo darf ich nun damit in den Städten fahren? So richtig klar ist mir das nirgends geworden und ich würde mir dafür direkt am Roller und in der App deutliche Informationen wünschen. Ansonsten gilt einfach: Gucken was die anderen machen!

In Paris zum Beispiel fahren die Meisten auf dem Bürgersteig. Das hat überraschend gut funktioniert, selbst auf der stark frequentierten Champs-Élysées. Aber das Umkurven von schlendernden Personen ist bestimmt nicht für jeden geeignet. Und machen wir uns nix vor: Egal wie geübt man mit so einem Teil ist, transportieren kann man damit nix. Wenn man einen Rucksack und eine Umhängetasche hat, geht es ja noch. Aber schon die Einkäufe in einer Tüte machen die Fahrt zu einer wackligen Angelegenheit. Die App von Bird schlägt mir in Paris zwar vor, einen Helm zu nutzen. Aber das ist natürlich weltfremd. Ich nehme den Roller ja spontan und habe gar keinen Helm dabei. Außerdem wird keiner zur Verfügung gestellt. Das ist ja ähnlich wie bei den klassischen Leihfahrrädern in den Städten. Auch da gibt es keinen Helm und keiner bringt einen mit.

In Lissabon fahren die Elektrotretroller fast ausschließlich auf der Straße. Konsequent die Straße zu benutzen find ich auch falsch. Gerade dort ist man das schwächste Glied in der Kette, denn natürlich fährt man ohne Helm. Das Kopfsteinpflaster und die Steigungen in dieser Stadt machen das Ganze zu einem mehr als überschaubarem Spaß.

Achim auf einem Bird Elektrotretroller in Paris

In Paris kurven die Elektrotretroller zwischen den Fußgängern auf der Champs-Élysées rum.

Downtown LA als Paradebeispiel

Im Gegensatz zu diesen beiden Städten war es in Downtown LA vorrangig der Radweg. Persönlich halte ich diesen für die beste Lösung – auch weil ein Elektrotretroller von der Geschwindigkeit gut mit einem Fahrrad vergleichbar ist. Und hat die Stadt vernünftige Fahrradwege, dann macht es sogar richtig Laune. In LA gibt es eine hervorragende Infrastruktur an Fahrradwegen und auch die Distanzen haben für mich total Sinn gemacht, um diese nicht zu Fuß oder mit einem Uber zu bestreiten.

Auch das Klima der Stadt spielt in das Fahrerlebnis mit rein. Denn bei Regen und Kälte macht es auch keinen Spaß damit zu fahren und dem Akku tut das bestimmt auch nicht gut. Deswegen werden ja auch beispielsweise in Berlin die COUP Elektroscooter im Winter aus dem Verkehr gezogen und auf Eis gelegt. Und selbst Teslas haben bei großer Kälte Probleme.

Elektrotretroller für Kurzstrecken und die letzte Meile

Wie integriert sich denn nun so ein Elektrotretroller sinnvoll in den Mobilitäsmix einer Großstadt? Er ergänzt den ÖPNV und ermöglicht eine kurze Distanz einfach zu überwinden –die sogenannte letzte Meile. Das macht für mich schon Sinn. In Ausnahmefällen mag es auch für längere Distanzen funktionieren, allerdings würde sich dann aber entweder Bus und Bahn oder Uber und Co. anbieten. Meinetwegen noch Fahrräder oder Elektroscooter.

Citymapper integriert neue Mobiltätslösungen wie Elektrotretroller neben Diensten wie Uber und dem klassischen ÖPNV.

Mit den oben genannten Einschränkungen find ich den Elektrotretroller im Mobilitäsmix eine tolle Sache für die Großstadt. Ich bin aber mehr als skeptisch, ob sich da die Anbieter bzw. einer von denen überhaupt langfristig durchsetzen kann. Derjenige mit der besten Finanzierung und dem längsten Atem wird wohl überleben. Aber eher erwarte ich, dass ein Unternehmen wie Uber so etwas zusätzlich anbietet, um sein eigenes Angebot zu ergänzen. Denn der Kunden wird am Ende auch nicht zig Apps für alle möglichen Anbieter verwenden wollen und eher das nutzen, was er eh schon kennt.

Citymapper, eine meiner absoluten Lieblingsapps, wenn ich unterwegs bin, hat bereits neue Möglichkeiten wie Elektrotretroller mit aufgenommen. Wenn die API des jeweiligen Transportanbieters es erlaubt, kann ich problemlos in dessen App wechseln und das gewünschte Fortbewegungsmittel buchen. Citymapper gibt mir als Endkunde einen prima Überblick wie lange und wie teuer ich mit den verschiedenen Mobilitätsdiensten von A nach B komme. Das macht mir zumindest die Entscheidung etwas leichter, denn ich sehe die für mich wichtigen Parameter: Zeit und Kosten.

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Achim Hepp

#machen | Achim ist Digitalexperte, Speaker und Creator. Er veröffentlicht Fachbeiträge in verschiedenen Zeitschriften, sowie hält er Vorträge und Workshops zu seinen Themen. In dieser Funktion ist er im In- und Ausland unterwegs, wobei er immer die Augen nach digitalen Trends aufhält.